Das Märchenerzählen verdankt seine Besonderheit dem kollektiven, Generationen übergreifenden Prozess der Weitergabe und des Zurechtschleifens von Stoffen. Übrig geblieben sind Themen, die jeden Menschen angehen, etwa: Das Erwachsenwerden, das Finden der eigenen Rolle, die Bewältigung von Krisen...
Max Lüthi nennt Märchen „dichterische Weltbewältigung“, er spricht davon, dass sie „Unterhaltung und Existenzerhellung in einem“ seien. Jeder Hörer hat breiten Interpretationsspielraum, kann sich und die eigenen Themen in der Bildsprache des Märchens wiederfinden, kreiert beim Hören eines Märchens einen ureigenen Film. (Da uns von solchen Prozessen naturgemäß keine Bilder zur Verfügung stehen, haben wir für die Bebilderung dieser Seite auf Illustrationen zeitgenössischer Künstler zurückgegriffen.)
Wir verstehen das Märchenerzählen als Brückenschlag zwischen Vergangenheit und Gegenwart, Jung und Alt, zwischen unterschiedlichsten Kulturen, Subkulturen und Sprachen, zwischen Gemeinschaft und Individuum.
Seit 2016 das Märchenerzählen in das Bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes aufgenommen wurde, sehen wir uns noch stärker in der Verantwortung, das an der Überlieferung orientierte freie Erzählen zu pflegen.
Deshalb hat die Ausbildung von Märchenerzähler:innen in der EMG einen besonders hohen Stellenwert. Uns charakterisiert, dass wir beim Erzählen nicht nur die gelungene Performance im Blick haben, sondern von unseren Erzählern auch ein vertieftes Wissen „rund um“ das Märchen erwarten.