Zwiespältig wie das Leben selbst schildern die Märchen das Alter: Hier erscheint es als Sitz der Weisheit, dort nimmt der Schrecken über die zunehmende Hinfälligkeit überhand. Es ist vom Rat der Großmutter zu lesen, vom Wunsch nach ewiger Jugend, von Jungbrunnen und Altenmühlen und von Alten, die in der Einöde ausgesetzt werden. So kann letztendlich ein Aphorismus Kafkas als Motto für die 21 Forschungsberichte aus der Welt der Märchen dienen: "Wer die Fähigkeit, Schönheit zu sehen, behält, der altert nicht."
Zunehmende Unsicherheit prägen das heutige Verhältnis zwischen Jung und Alt: Stichwort "Rentenkrise" oder "Kontaktmangel". Nach Auffassung der jungen Generation nützt das "überholte Wissen" der Alten in der heutigen modernen Gesellschaft nicht mehr viel.
Die Märchen belehren uns jedoch eines Besserern mit ihren Reflektionen über das Alter, die Weisheit, über Dummheit und Torheit bis hin zur konkreten persönlichen Gegenwart. Und wieder erkennen wir, wie aktuell und zukunftsträchtig die alten immer neuen Märchen sind.
Sehr deutlich schält sich der philosophische Grundsatz "Leben bedeutet Altern" heraus, wobei das Älterwerden zunächst als Erfahrungsgewinn, dann jedoch zunehmend als Einschränkung der Lebensmöglichkeiten empfunden wird. Dieses zu akzeptieren und bereit zu sein, sich zu wandeln und etwas zurückzulassen, führt zu Weisheit im Alter.
Erschienen 2000, 326 Seiten