In vielen Volkserzählungen, namentlich in den Märchen, Schwankmärchen und Schwänken, finden wir Witz, Humor und Komik am Werk. Diese gleichsam antiautoritären Eigenschaften verstärken noch den subversiven Charakter, der den genannten Erzählgattungen allesamt eignet. Selbst für die Zauber-, Wunder- und Glücksmärchen, die man gerne als die eigentlichen Märchen ansieht, in denen es aber den darin auftretenden Heldinnen und Helden angesichts der ihnen drohenden Gefahren und Mühsalen zunächst gar nicht zum Lachen ist, gilt: Wer zuletzt lacht, lacht am besten. Und mit dem Märchen lacht die gesamte Erzählgemeinschaft oder Lesegemeinde.
Untersuchungsgegenstand dieses Buches sind aber auch, wenn man so will: negativ besetzte Antriebskräfte wie Spott, Schadenfreude, List und Tücke, Hybris und Gefallsucht.
Jedoch: Der Schein wird entlarvt, der böse Spuk gebannt, die Hybris stürzt, das Böse richtet sich selbst.
Zu allen Zeiten wohl fanden wir Märchen und überhaupt Erzählmotive auch parodiert und karikiert oder hat überschießende Fabulierkunst sich Bahn gebrochen - davon berichten Ostermärlein und Lügenmärchen, die streng genommen keine Märchen sind. Je enger sich die Märchenaufzeichnungen an den Urformen des Erzählens orientieren, desto deutlicher sind darin Witz, Humor und Komik erhalten. Gleiches gilt, noch einmal gesteigert, für das mundartliche Erzählen.
Im Lachen zeigen sich Erkenntnis und Wahrheit, sagt Umberto Eco durch seinen großartigen Roman »Der Name der Rose«, und Lachen ist die Kunst der Vernichtung von Angst. Doch Lachen über sich selbst - das vielleicht wertvollste Lachen, das die Welt kennt - bedeutet Erkenntnis und Wahrheit über sich selbst, bedeutet das Ende der Hybris.
Erschienen 1993, 288 Seiten